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Warum ist Schwimmenlernen eigentlich so schwierig?

Die SwimMastery Trainerinnen Tracey Baumann und Emma Levy werfen einen Blick auf die Herausforderungen des Schwimmens

Eine der grössten Fragen, die sich stellt, wenn du dein Schwimmen verbessern willst, ist, warum viele Menschen sich so damit abmühen – mit dem Lernen wie dem Ausführen.
Wir neigen dazu, unsere auf festem Boden erlernten Bewegungsgesetze aufs Schwimmen zu übertragen, und verlassen uns dabei auf unsere Gliedmassen, uns von A nach B zu bringen.
Dieser Artikel beleuchtet einige der Hauptgründe, warum es so anspruchsvoll ist, schwimmen zu lernen.

Der Mensch kann im Wasser nicht wirklich überleben. Aus diesem Grund schaltet sich der Überlebensinstinkt ein, bevor wir überhaupt daran denken können, was wir mit unserem Kopf, dem Rumpf oder unseren Armen und Beinen anstellen sollen. Weiter müssen wir berücksichtigen, dass unser Gehirn sehr daran hängt, die Luft, die wir atmen, auch sehen zu können; wenn wir also bäuchlings im Wasser von uns verlangen, einen Atemzug zu tun, mit dem grössten Teil unseres Kopfes unter Wasser, dann ist es nicht verwunderlich, dass unser Gehirn nicht darauf vertraut, dass die Luft da ist – bis wir es darauf trainieren.
Der Überlebensinstinkt ist im limbischen System des Gehirns verortet. Entwicklungsgeschichtlich ist das limbische System eines der älteren Teile des Gehirns. Es bestimmt, mit welchen Emotionen wir auf Reize reagieren; es ist wie eine Sortieranlage, die Bilder, Szenen und Ereignisse durchforstet und sich dann für eine angemessene Reaktion entscheidet. Diese Reaktionen basieren meist auf vergangenen Erfahrungen oder auf dem menschlichen Atemreflex und -bedürfnis.
Schwimmer müssen sich dessen bewusst sein, denn solange das limbische System aktiv ist, kann der Neokortex nicht angesprochen werden.
Wenn sich der Überlebensinstinkt einschaltet, dann zieht auch unser sympathisches Nervensystem mit und schickt einen Hormoncocktail aus Cortisol und Adrenalin durch unsere Adern, der die Kampf-Flucht-Erstarren Reaktion aktiviert. Es ist unmöglich, darüber nachzudenken, was unsere Arme oder Beine machen, bis wir es schaffen, das sympathische Nervensystem auszuschalten und das parasympathische Nervensystem zu aktivieren. Erst die daraus resultierende Beruhigung ermöglicht es uns, den Neokortex anzusprechen und wieder die Kontrolle über unsere Körperteile zu gewinnen.
Deshalb ist es für uns von grösster Bedeutung, diese Vorgänge mit allen Schwimmern, mit denen wir arbeiten, zu thematisieren. Wenn dem Gehirn etwas bewusst gemacht wird, kann es besser damit umgehen und es als Teil unseres Menschseins akzeptieren. Vielen Menschen reicht die Bewusstheit und Akzeptanz dieser Vorgänge, um sie in den Griff zu bekommen – andere müssen mehr Arbeit investieren.

Der zusammenhängende Körper
Der menschliche Körper besteht aus 360 Gelenken, die alle unterschiedlich beweglich sind. Wenn wir schwimmen, finden all diese Bewegungen im Wasser statt, das über 800-mal dichter ist als Luft. Der Widerstand, den diese gelenkig verbundenen Körperteile verursachen, ist riesig; und der Schwimmer wird daher oft sehr müde, weil er so viel Energie für den Vortrieb aufwenden und gegen den Widerstand ankämpfen muss, den sein eigener Körper verursacht.

Selbstwahrnehmung im Wasser
Eine weitere Herausforderung für uns als Menschen im Wasser und eng mit dem Überlebensinstinkt verbunden ist die Selbstwahrnehmung: also das Gespür dafür, wo unsere Körperteile im Raum sind. Wenn wir noch das Medium Wasser und die Tatsache, dass wir darin nicht überleben können, in die Gleichung aufnehmen, dann wird unsere Selbstwahrnehmung stark verzerrt. Deshalb müssen wir einige Zeit darauf verwenden, unsere Selbstwahrnehmung beim Schwimmen neu zu trainieren.
Um dein Körperbewusstsein im Wasser zu verbessern, lege den Fokus zu Beginn auf bestimmte Körperteile, wie z.B. die Kopfposition, und schau, ob du weisst, in welcher Position der Kopf momentan ist. Du kannst jemanden bitten, zu bestätigen, dass das, was du spürst, auch den Tatsachen entspricht.
Dann vertiefe den Sinneseindruck, indem du wahrnimmst, wie sich das Wasser auf dem Gesicht und am Kopf anfühlt.
Diese Übung kannst du mit jedem Körperteil machen; es ist ein sehr guter erster Schritt hin zur Verbesserung der Selbstwahrnehmung im Wasser.

Platzierung der Lunge
Die Lunge enthält Luft und generiert damit Auftrieb.
Dass unsere Lunge in der oberen Körperhälfte liegt, beschert uns grosse Gleichgewichtsprobleme. Schwimmend liegen wir horizontal im Wasser und haben, von der unteren Rumpfhälfte bis zu den Füssen, mehr Gewicht hinter der Lunge als davor.
Das lässt die Beine eines Schwimmers absinken, während die Lunge und der Kopf zur Oberfläche treiben.

Echtes horizontales Gleichgewicht im Wasser erreicht der Schwimmer nur, indem er das Auftriebszentrum und den Schwerpunkt näher zusammenbringt.
Wir benutzen dafür die Bauchatmung, also die Atmung ins Diaphragma, sowie das Verlagern von Gliedmassen nach vorne.
Wir können natürlich durch Muskelarbeit der Arme und Beine (Stichwort Beinschlag) ein horizontales Gleichgewicht erreichen; aber die wahre Körperbalance zu finden, ist viel weniger kraftraubend und macht die Extremitäten frei für einen effizienteren Einsatz.
Wenn du das nächste Mal schwimmen gehst, achte gezielt darauf, wie du einatmest und ausatmest. Atme mit dem Diaphragma tiefer in deine Lunge und beobachte, was das für einen Einfluss hat auf die Position deines Körpers im Wasser. Wenn der Einfluss nur schwach spürbar ist, steigere deine Aufmerksamkeit und spüre den feinen Veränderungen nach. Das wird auch dein Körperbewusstsein verbessern.

Es gibt noch viele andere Faktoren, die das Schwimmen für Menschen anspruchsvoll machen. Wasser ist ein unstabiles Medium, bewegt sich und hat «keine Balken» – sagt uns unser Gehirn.
Wenn wir die Neurowissenschaft, die Physiologie, die Hydrodynamik und andere Bereiche der Physik bedenken, die alle involviert sind, ist es kein Wunder, dass Schwimmenlernen Zeit braucht und auch die Fähigkeit, zu erkennen, dass der Weg nach vorne für uns als land- und nicht wassergebundene Wesen darauf basiert, um die Ecke zu denken.